Im Leben von Betriebsleitenden und auch im „Leben“ des landwirtschaftlichen Betriebes selbst ist die Hofübergabe ein ganz entscheidendes Nadelöhr. Es werden fundamentale Entscheidungen getroffen, die Interessen von zwei (oder mehr) Generationen müssen unter einen Hut gebracht werden und die Weichen für die Zukunft und für das ganze Berufsleben der Übernehmenden werden gestellt. Aufgrund der vielen Unsicherheiten kann es vorkommen, dass eine Hofübergabe scheitert. Doch was kannst Du tun, wenn Dir das passiert?
Wann ist eine Hofübergabe in der Landwirtschaft gescheitert?
Ein Szenario einer gescheiterten Hofübergabe ist wahrscheinlich allen klar: Wenn die Übernehmenden den Betrieb nicht weiterführen wollen. Steht kein Nachfolgender zur Verfügung entsteht oft große Unsicherheit und eine „Leerstelle“. Die Kraft und Belastbarkeit der Übergebenden lassen nach und die erforderliche Energie den Betrieb weiter nach vorne zu bringen wird nicht durch einen Übernehmenden eingebracht. Es gibt aber noch weitere Szenarien, nach denen eine Hofübergabe als „gescheitert“ betrachtet werden kann. Zum einen ist es möglich, dass die Hofübergabe zwar formal geregelt wurde, es aber auf dem Hof täglich zu Streit und Unzufriedenheit kommt. Dies kann passieren, wenn wichtige Themen des Miteinander bei den Gesprächen zur Übergabe ausgeklammert wurden. Ein weiteres Szenario ist die „verschleppte“ Hofübergabe. Wenn die Übergebenden den Betrieb auch über ihren Renteneintritt nicht abgeben können oder wollen, finden sich die Übernehmenden in einer unbefriedigenden Warteschleife. Mitunter werden Innovationen im Betrieb so nicht schnell genug umgesetzt und der Betrieb wird weniger wettbewerbsfähig sein.
Was kannst Du tun, wenn die Übergabe auf Deinem Betrieb gescheitert ist?
1. Ursachen für die gescheiterte Übergabe erforschen
Schau zunächst einmal genau hin, was eigentlich schiefgelaufen ist. Wichtig hierbei ist, dass Du nicht nur auf die kurze Phase der eigentlichen Übergabe blickst, sondern auf die gesamte Zeit seit der letzten Übergabe. Wie wurde der Betrieb seitdem geführt und weiterentwickelt? Ist der Betrieb jetzt wirtschaftlich erfolgreich, oder gibt es Nachholbedarf? Wie haben die Übergebenden ihr Leben geführt? Sind sie mit ihrem Lebenswerk und Leben zufrieden, oder haben (familiäre) Beziehungen und Gesundheit unter der hohen Arbeitsbelastung gelitten? Wie haben die Übernehmenden ihr bisheriges Leben geführt? Haben sie Spaß an den zukünftigen Aufgaben und eine entsprechende Ausbildung? Haben Sie die volle Unterstützung der Übergebenden? Haben sie neben der Arbeit weitere Ressourcen (Freunde, Hobbies, …), die ihnen Freude bereiten? Natürlich darfst Du auch auf die Hofübergabe selbst blicken: Gab es ausreichend Gespräche in entspannter Atmosphäre? Habt Ihr Lösungen gefunden, die wirklich für Euch passen, oder habt Ihr einfach einen Standardvertrag unterzeichnet? Waren alle Beteiligten wirklich in die Entscheidungsfindung eingebunden?
2. Lade alle Beteiligten zu einer ehrlichen Aussprache ein
Auch wenn Du Dir nun vielleicht über Deine Gründe und Sichtweise klar bist, kannst Du noch immer nicht in die Köpfe Deiner Eltern, Geschwister oder Kinder hineinschauen. Aus diesem Grund solltet Ihr Euch alle zusammen an einen Tisch setzen und Euch aussprechen. Gerne könnt Ihr die Fragen aus dem vorherigen Abschnitt aufgreifen. Im Vordergrund sollte jedoch stehen, dass Ihr Euch über Eure persönlichen Sichtweisen und Beweggründe austauscht und versucht, einander besser zu verstehen. Auch falls dies am Ende kein neues Ergebnis bringt, könnt ihr vielleicht mit anderen Augen auf die Situation blicken. Möglicherweise könnt Ihr dann auch einander neu begegnen.
3. Die Hofübergabe „neu“ verhandeln
„Papier ist geduldig…“ dieser oftmals negativ besetzte Spruch kann auch positiv ausgelegt werden! Zwischen den geschriebenen Zeilen habt Ihr noch ausreichend Spielraum weitere Vereinbarungen zu treffen. Ist die Hofübergabe zwar formal geregelt, aber es kommt dennoch zu Konflikten, könnt Ihr die betreffenden Themen unabhängig vom Vertrag miteinander besprechen und nachverhandeln. Dies kann zum Beispiel die Wohnsituation, die Arbeitsaufteilung, Lohnzahlungen oder Euren Umgang miteinander betreffen. Sollte dies für euch nicht möglich sein, könnt Ihr die Hilfe einer Mediatorin oder eines Mediators in Anspruch nehmen.
4. Neue Perspektiven und Alternativen für Dein Leben und den Betrieb entwickeln
Lassen sich auch nach gründlicher Reflektion, Aussprache und neuen Verhandlungen keine zufriedenstellenden Lösungen finden, bedeutet dies nicht selten die Schließung des Betriebes. In diesem Fall sind oft Trauer, Wut, Enttäuschung und Frust groß. Diese Emotionen zu sehen und sie anzunehmen kann der erste Schritt sein, um nach vorn zu blicken. Denn nun braucht es für alle Beteiligten eine neue Perspektive. So können sich die Übergebenden überlegen, wie und wo sie ihren nächsten Lebensabschnitt verbringen möchten. Wie soll die Zeit nach dem Renteneintritt gestaltet und gefüllt werden?
Für die Übernehmenden geht es nun um nicht weniger als einen alternativen Lebensentwurf, wenn „Plan A“ nicht in die Tat umgesetzt wird. Wie können vielleicht auch ohne eine betriebliche Übernahme die eigenen Träume verwirklicht werden? Hat ein anderer Lebensentwurf vielleicht möglicherweise auch Vorteile? Neben den neuen Perspektiven für die Menschen braucht es zudem Ideen wie mit den betrieblichen Kapazitäten umgegangen wird. Sollen der Betrieb oder Teile davon verkauft oder verpachtet werden? Kommt eine Hofübergabe an externe infrage?
Erst wenn diese Fragen geklärt sind, können meist auch die Beteiligten mit einer gescheiterten Hofübergabe abschließen und sich ganz ihrem neuen Leben widmen.
Kommentar schreiben